AfD-Spaltung legt Chemnitzer Stadtrat zeitweise lahm

Die Stadtratssitzung am 27. August war eine der ungewöhnlichsten, die ich bisher erlebt habe. Normalerweise beginnen wir um 15 Uhr und arbeiten uns bis zum frühen Abend – manchmal sogar bis 22 Uhr – durch eine umfangreiche Tagesordnung. Diesmal standen wir nach nur 45 Minuten wieder draußen. Der Grund lag nicht bei den Sachthemen der Stadt, sondern in den inneren Zerwürfnissen der Chemnitzer AfD.

Eine Spaltung mit Ansage

Bereits Anfang August hatte sich die AfD-Fraktion nach einem internen Streit aufgelöst: Zwölf Stadträtinnen und Stadträte hatten ihren Austritt erklärt und wollten eine neue Fraktion bilden. Die alte Fraktion schrumpfte damit auf nur noch drei Mitglieder um den bisherigen Vorsitzenden Nico Köhler. Hintergrund waren, wie verschiedene Medien berichteten, interne Vorwürfe und Streitigkeiten, die die AfD selbst nie öffentlich aufklären wollte.

Die Stadtverwaltung erklärte die Neugründung der Zwölfer-Gruppe zunächst für unwirksam und stufte sie als fraktionslos ein. Begründet wurde das mit „persönlichen statt politischen Gründen“ für die Abspaltung. Die SPD und auch wir im BSW sahen uns zu diesem Zeitpunkt mit offenen juristischen Fragen konfrontiert – insbesondere, weil alle Parteien eine handlungsfähige Ausschussstruktur benötigen, um Beschlüsse vorzubereiten.

Der juristische Schlagabtausch vor der Sitzung

In den Tagen vor der August-Sitzung überschlugen sich die Entscheidungen:

– Erst wurden die zwölf Ausgetretenen als fraktionslos behandelt.

– Dann erkannte die Stadt sie doch als neue AfD-Fraktion an, weil zwischenzeitlich der Fraktionsstatus der alten Gruppe formal erloschen war.

– Gleichzeitig beantragte Nico Köhler im Eilverfahren, dass seine dreiköpfige Restgruppe weiterhin als Fraktion gilt.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz wollte noch vor der Stadtratssitzung entscheiden – und tat es schließlich nur eine Stunde vor Beginn.

Urteil eine Stunde vor Sitzungsbeginn – und die Tagesordnung zerfällt

Gegen 14 Uhr erreichte uns der Beschluss des Verwaltungsgerichts: Die Stadt muss die Dreier-Gruppe um Köhler als Fraktion anerkennen. Damit existierten plötzlich zwei AfD-Fraktionen – und sämtliche geplanten Ausschussneubesetzungen waren hinfällig. Die Tagesordnung basierte nämlich noch auf der Annahme, es gebe nur eine AfD-Fraktion.

Für uns als Stadträte bedeutete das: Eine außerordentliche Sitzung, für mehrere Tausend Euro öffentlich finanziert, die am Ende kaum Entscheidungen treffen konnte. Nach 45 Minuten war Schluss.

Positiver Nebeneffekt: Zeit für politische Gespräche

Immerhin ergab sich durch den frühen Sitzungsabbruch etwas Luft im Kalender. Am Abend konnten wir BSW-Stadträte gemeinsam an der Veranstaltung „35 Jahre Einheit in Europa“ mit unseren Europaabgeordneten Thomas Geisel und Jan-Peter Warnke teilnehmen. Eine spannende Diskussion, für die wir ohne den chaotischen Sitzungstag vermutlich kaum Zeit gehabt hätten.

Wie es weiterging: Zwei Fraktionen, neue Ausschüsse

Nach der Sitzung verzichtete die Stadt darauf, gegen das Urteil in die nächste Instanz zu gehen. Damit stand fest: Im Chemnitzer Stadtrat existieren nun dauerhaft zwei AfD-Fraktionen. Am 15. September musste deshalb ein Sonderstadtrat einberufen werden, um die Ausschüsse, Beiräte und Aufsichtsräte komplett neu zu besetzen.

Um die durch die Aufspaltung entstehenden Verzerrungen auszugleichen, beschloss der Stadtrat mehrheitlich, die Fachausschüsse von 13 auf 15 Mitglieder zu erweitern. Nur so ließ sich verhindern, dass die AfD durch die interne Spaltung zusätzlichen Einfluss erhält.

Fazit

Der August hat deutlich gezeigt, wie stark interne Konflikte einer einzelnen Fraktion den gesamten Stadtrat in Mitleidenschaft ziehen können. Für uns als BSW bleibt entscheidend, dass der Stadtrat arbeitsfähig ist und sich nicht durch parteiinterne Machtkämpfe ausbremsen lässt. Die Neuordnung der Ausschüsse ist nun erfolgt – und wir können uns wieder stärker den eigentlichen Aufgaben der Stadt widmen.

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