Am 8. Mai 2025, zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, durfte ich auf dem Sowjetischen Ehrenfriedhof in Chemnitz im Rahmen der Gedenkveranstaltung der VVN-BdA sprechen. Zusammen mit Dietmar Holz habe ich zudem für die BSW-Fraktion im Chemnitzer Stadtrat ein Gesteck niedergelegt. An diesem Ort, an dem über 1.100 sowjetische Soldaten, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene begraben liegen, habe ich an die Verbrechen des deutschen Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion erinnert – und an den hohen Blutzoll, den die Rote Armee und die sowjetische Bevölkerung für unsere Befreiung gezahlt haben.
Doch Gedenken darf nicht im Rückblick stehenbleiben. In meiner Rede habe ich auch über das Heute gesprochen: über die Ausgrenzung russischer Vertreter bei Gedenkveranstaltungen, über den Umgang mit der Städtepartnerschaft zu Wolgograd und über die wachsende Kriegsbereitschaft in der deutschen Außenpolitik. Für mich ist klar: Wer heute der Befreiung gedenkt, muss auch darüber sprechen, wie wir vom Krieg wieder zum Frieden finden – in der Ukraine, in Palästina und anderswo.
Hier dokumentiere ich meine Rede im Wortlaut:
Liebe Chemnitzerinnen und Chemnitzer,
liebe Gäste von außerhalb,
ich möchte zunächst der VVN-BdA für die Einladung und der Möglichkeit danken, hier für das Bündnis Sahra Wagenknecht als Vertreter des sächsischen Landesvorstandes, Mitglied der BSW-Landtagsfraktion und der Chemnitzer BSW-Stadtratsfraktion sprechen zu dürfen.
Am 8. Mai 1945 endete der verheerendste Krieg der Menschheitsgeschichte. Er war begründet auf imperialistischen, rassistischen und antikommunistischen Motiven. Der Hauptfeind lag für Hitler in der Sowjetunion und ihrem sogenannten „jüdischen Bolschewismus“. Der Krieg wurde dort besonders grausam als Vernichtungsfeldzug geführt und die Sowjetunion hatte mit 27 Millionen Opfern den größten Blutzoll zu tragen.
Hitler wurde von der deutschen Großindustrie, der Finanz- und Rüstungsindustrie protegiert, weil er deren Hoffnung gegen den Kommunismus war. Gleichzeitig versprach die Eroberung der Sowjetunion mit ihrer riesigen Landmasse und ihren Rohstoffen aus der Sicht der Nazis Reichtum und „Lebensraum im Osten“, wie es damals hieß. Der Chef der deutschen Bank, Hermann Josef Abs, meinte, mit einem Blitzkrieg gegen die Sowjetunion könnten die Kosten des Ersten und dieses Zweiten Weltkrieges innerhalb von Monaten durch Eroberungen eingenommen werden. Die sogenannten „slawischen Untermenschen“ sollten als Arbeitssklaven den arischen Übermenschen dienen. Ob Soldaten, Zivilisten, Kriegsgefangene oder sogenannte „Ostarbeiter“. Aus seinen Absichten hatte er es in seinem Buch „Mein Kampf“ keinen Hehl daraus gemacht. Jeder konnte es wissen.
Die Schreckensherrschaft war am 8. Mai 1945 zu Ende. Wir gedenken all denen, die durch faschistische Gewaltherrschaft, Militarismus und Krieg sterben mussten. Wir verneigen uns vor all denen, die dagegen gekämpft haben, und oft genug ihr Leben dafür ließen. Ob in einer Armee oder im Untergrund.
Aber wir können nicht dem Vergangenen gedenken, ohne auf das Heute zu schauen.
Auch im Jahr 2025 kämpfen auf europäischem Boden wieder Truppen mit SS-Runen und Hakenkreuzen für sogenannte „nationale Befreiung“. Der Gruß des tausendfachen Mörders an Juden und Polen, Stepan Bandera, das „Slava Ukraini“, eine ukrainische Form des „Sieg Heil“, wird heutzutage von hochrangigen deutschen Politikern wohlwollend ausgesprochen, etwa vom ehemaligen Bundeskanzler Olaf Scholz.
Was sich in der Ukraine unter massiver ausländischer Einflussnahme zu einem Bürgerkrieg entwickelte, ist zu einem Krieg zwischen Staaten eskaliert, die historisch eng miteinander verwoben sind. Der Hass auf alles Russische ist schon seit über 10 Jahren – nicht nur in der Ukraine – wieder präsent und wird hofiert. Auch in Deutschland werden die Stimmen wieder lauter. Russische Vertreter werden nicht zu Gedenkveranstaltungen eingeladen, auch hier in Chemnitz. So etwas war übrigens nie üblich, als die USA und Großbritannien völkerrechtswidrige Angriffskriege, etwa im Irak und Afghanistan, anführten. Wenn Städtepartnerschaften zwischen Chemnitz und Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, wieder aktiviert werden sollen, gibt es dazu im Stadtrat derzeit keine Mehrheit. Und das, obwohl Stalingrad als entscheidende Schlacht des 2. Weltkrieges gilt, die den Rückzug der Wehrmacht und den militärischen Niedergang Hitlerdeutschlands eingeleitet hat. Sie können sich die Debatte zur Reaktivierung der Städtepartnerschaft mit Wolgograd noch bis kommenden Mittwoch im Internet anschauen. Sie werden überrascht sein, wer sich heute für Völkerverständigung ausspricht und wer dagegen.
Der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul sagte vor einigen Monaten: Egal ob es den Ukraine-Krieg noch gibt, „Russland wird für immer unser Feind sein“. Dass in Deutschland so jemand nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Außenminister werden kann, beschämt mich zutiefst. Nicht weniger dramatisch ist die Ankündigung des Bundeskanzlers Merz, Taurus-Raketen in die Ukraine zu schicken. Deutschland würde damit Kriegspartei werden, denn die Raketen müssen von Deutschen Truppen bedient werden. 80 Jahre nach der Befreiung sind solche Handlungen schändlich.
Liebe Anwesende. Meines Erachtens, muss derjenige, der heute der Befreiung von Krieg und Gewaltherrschaft gedenkt, auch daran denken, wie wir in der Ukraine, aber auch bspw. in Palästina und anderswo vom Krieg wieder hin zum Frieden kommen können. Neben dem Gedenken brauchen wir den Wunsch zur Verständigung – und zwar ohne Vorbedingungen. Dann wird Frieden wieder erreichbar. Es ist keine leichte Aufgabe, aber sie muss gelingen.
Vielen Dank.