In dieser Rubrik erscheinen wöchentlich ausgewählte Artikel aus unabhängigen, meinungsstarken Medien – zusammengestellt von meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Als Abgeordneter bleibt im politischen Alltag oft zu wenig Zeit, um sich selbst täglich durch die Vielzahl an relevanten Beiträgen zu arbeiten. Deshalb erhalte ich regelmäßig ein fundiertes Pressebriefing, aus dem hier einige besonders lesenswerte Texte hervorgehoben werden.
Die Auswahl setzt Impulse, regt zum Nachdenken an und eröffnet Perspektiven jenseits des etablierten Meinungskanons – zu Themen, die auch meine Arbeit im Landtag prägen: Frieden, Europa und die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland.
Hinweis: Die hier empfohlenen Beiträge spiegeln nicht in jedem Fall die Positionen von Nico Rudolph oder seinem Team wider. Sie wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz und Impulsstärke ausgewählt.
Globalbridge: „Die russische Ideologie“
von Stefano di Lorenzo
Zusammenfassung
Stefano di Lorenzo untersucht die Frage, ob und in welcher Form Russland heute über eine ideologische Grundlage verfügt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde das ideologische Vakuum durch eine Mischung aus historischen, religiösen und nationalen Symbolen gefüllt, die heute das Rückgrat einer halboffiziellen Staatsideologie bilden. Der Autor zeichnet die historischen Linien nach – von der Idee des „Dritten Roms“ über Zarismus und Sowjetunion bis hin zu Philosophen wie Iljin, Berdjajew und Dugin – und beschreibt die ideologische Selbstverortung Russlands als zivilisatorische Alternative zum Westen. Dabei wird deutlich: Russland verfolgt kein klares ideologisches Programm, sondern eine emotional aufgeladene, identitätsstiftende Erzählung.
Einordnung
Die Analyse macht deutlich, wie zentral Geschichtsbilder und kulturelle Selbstdeutung für nationale Orientierung sein können – gerade in Zeiten geopolitischer Umbrüche. Auch wenn die autoritär geprägte ideologische Synthese Putins kritisch zu sehen ist, zeigt sich hier beispielhaft, welche Bedeutung kollektive Narrative und Erinnerungspolitik für die nationale Kohärenz haben. Für eine europäische Friedensordnung ist es essenziell, solche Dynamiken zu verstehen – nicht um sie zu übernehmen, sondern um ihnen souverän zu begegnen.
NachDenkSeiten: „Die Ukraine ist keine Demokratie. Die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen.“
Interview mit Marta Havryshko
Zusammenfassung
Die ukrainische Historikerin Marta Havryshko spricht im Interview mit Michael Holmes über ihre kritische Sicht auf die politische Entwicklung in der Ukraine. Sie beschreibt den wachsenden Einfluss rechtsextremer Gruppen, zunehmende Repressionen gegen Dissidenten und eine weitreichende Selbstzensur in Medien und Gesellschaft. Trotz ihrer klaren Ablehnung des russischen Angriffskriegs wirft Havryshko der Regierung Selenskyj vor, demokratische Grundrechte zu untergraben und eine autoritäre Wende einzuleiten. Besonders alarmierend: Die systematische Zwangsmobilisierung, das Verbot linker Parteien und der Schulterschluss mit neonazistischen Netzwerken.
Einordnung
Dieses Interview ist ein mutiger und erschütternder Einblick in eine Realität, die westlich-medial oft ausgeblendet wird. Es zeigt: Wer sich für Frieden einsetzt, darf nicht die Augen verschließen – weder vor russischer Gewalt noch vor ukrainischen Menschenrechtsverletzungen. Gerade im Namen der Demokratie müssen wir uns auch mit deren Gefährdung auseinandersetzen. Havryshkos Aussagen sind bemerkenswert offen und couragiert – sie verleihen der oft einseitig dargestellten Debatte um die Ukraine eine wichtige Differenzierung. Stimmen wie ihre sollten stärker in den westlichen Diskurs eingebunden werden, um ein realistisches Bild der Lage zu vermitteln.
NachDenkSeiten: „Wissenschaft zur Waffe! Hochschulen haben neuerdings Bundeswehr und Rheinmetall zu dienen“
von Ralf Wurzbacher
Zusammenfassung
Ralf Wurzbacher berichtet über den wachsenden Druck auf Hochschulen, sich an Rüstungsforschung zu beteiligen – von „Wehrtechnik“-Modulen bis hin zu Gesetzesinitiativen gegen Zivilklauseln. Während die Hochschule Flensburg durch studentischen Protest ein solches Vorhaben stoppen konnte, treiben Bundesländer wie Bayern aktiv die Entgrenzung von militärischer und ziviler Forschung voran. Das Ziel: engere Kooperationen mit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie. Kritiker warnen vor einer Militarisierung der Wissenschaft und dem Verlust von Forschungsethik und Gewissensfreiheit.
Einordnung
Dieser Artikel zeigt, wie schleichend sich die Rüstungslogik in unsere Bildungslandschaft einschreibt. Statt Debatten über Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit oder eine friedliche Außenpolitik erleben wir eine technokratische Aufrüstung auf dem Campus. Es ist ermutigend, dass junge Menschen in Flensburg ein Zeichen setzen. Denn wer Wissenschaft zur Waffe macht, gefährdet die Grundlagen einer offenen, zukunftsfähigen Gesellschaft.
Globalbridge: „Hallo Putin! Ich bin’s, Trump“
von Stefano di Lorenzo
Zusammenfassung
Stefano di Lorenzo beleuchtet die diplomatischen Entwicklungen rund um das erste offizielle Treffen russischer und ukrainischer Vertreter seit 2022 sowie das zweistündige Telefongespräch zwischen Donald Trump und Wladimir Putin. Während Trump sich als Vermittler inszeniert, begegnet Europa dieser Initiative mit Misstrauen – aus Sorge, übergangen zu werden. Der Text analysiert die russische Perspektive auf mögliche Verhandlungen, die geopolitischen Spannungen mit der EU und den strategischen Widerstand gegen westliche Waffenlieferungen an die Ukraine. Fazit: Ein neues diplomatisches Fenster öffnet sich – trotz politischer Hürden und altem Misstrauen.
Einordnung
Was viele als naiv oder gefährlich abtun, könnte der Auftakt zu realen Friedenschancen sein. Trumps Eigenlob mag überzogen sein – aber wenn seine Initiative Bewegung in die Verhandlungsfront bringt, sollte man das nicht reflexhaft diskreditieren. Es ist höchste Zeit, dass Europa sich entscheidet: Will es Frieden durch Verhandlungen oder Prestige durch Eskalation? Friedenspolitik braucht Mut – auch zum Dialog mit den Falschen.
NachDenkSeiten: „Die Bedingungen für einen dauerhaften und gerechten Frieden“
von Gert-Ewen Ungar
Zusammenfassung
Gert-Ewen Ungar erläutert die russische Sicht auf mögliche Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg. Der in Moskau lebende Journalist betont, dass Russland keine Einigung akzeptieren werde, die die ursprünglichen Konfliktursachen – NATO-Expansion und ethnische Spannungen – nicht adressiert. Der Artikel skizziert die historischen Hintergründe, verweist auf das abgebrochene Istanbuler Abkommen von 2022 und kritisiert scharf die Rolle westlicher Staaten, insbesondere Deutschlands, beim Scheitern früherer Verhandlungsinitiativen. Für Russland steht ein Frieden nur dann zur Debatte, wenn er dauerhaft ist – das heißt: konfliktursachengerecht.
Einordnung
Ob man den russischen Positionen zustimmt oder nicht – wer Frieden will, muss sie kennen. Dieser Artikel erinnert uns daran, dass Diplomatie kein Wunschkonzert ist, sondern Kompromisskunst. Es genügt nicht, von einem „gerechten Frieden“ zu reden – man muss auch bereit sein, über Gerechtigkeit aus verschiedenen Perspektiven zu verhandeln. Ungars Analyse ist unbequem, aber unverzichtbar.
Globalbridge: „Warum hält sich der Westen nicht an die Grundsätze der UNO?“
von Sergei V. Lavrov
Zusammenfassung
In seinem Grundsatzartikel kritisiert der russische Außenminister Sergei Lavrov die Missachtung der UN-Charta durch den Westen und betont die Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf das Prinzip der souveränen Gleichheit. Lavrov wirft den USA und ihren Verbündeten vor, seit dem Ende des Kalten Krieges eine hegemoniale, regelbasierte Ordnung etabliert zu haben, die den Geist von Jalta und Potsdam konterkariere. Er plädiert für eine multipolare Weltordnung und fordert eine Reform der UN-Institutionen, insbesondere des Sicherheitsrats – zugunsten des Globalen Südens. Der Text versteht sich als Verteidigung einer multilateralen Diplomatie gegen westlichen Unilateralismus.
Einordnung
Lavrovs Beitrag ist mehr als Propaganda – er ist ein außenpolitisches Programm. Auch wenn seine Sichtweise hochgradig selektiv ist, stellt er die richtigen Fragen: Wer darf bestimmen, was internationale Ordnung heißt? Und nach welchen Maßstäben handeln wir in der Weltpolitik wirklich? Gerade für Europa sollte klar sein: Wer Völkerrecht sagt, muss es auch gegenüber den eigenen Bündnispartnern verteidigen. Glaubwürdigkeit beginnt mit Konsequenz.
NachDenkSeiten: „Wir sind keine Bewegung, wir sind eine Partei“
Interview mit Alexander King
Zusammenfassung
Alexander King, Landesvorsitzender des BSW Berlin, spricht mit Rainer Balcerowiak über den Stand der Parteientwicklung nach der Bundestagswahl. Er benennt Herausforderungen wie begrenzte Strukturen, die noch wachsende Kampagnenfähigkeit und innerparteiliche Spannungen, ohne den politischen Kern aus dem Blick zu verlieren: das BSW als glaubwürdige Stimme für Frieden, soziale Vernunft und eine gerechtere Politik. Das Interview beleuchtet, wie aus einer Idee eine tragfähige Organisation wird – mit realpolitischem Anspruch und Bodenhaftung.
Einordnung
King beschreibt sehr offen die Spannungsfelder im Aufbau einer jungen Partei – zwischen Anspruch und Struktur, symbolischer Außenwirkung und realpolitischer Substanz. Das Interview gibt Einblick in eine Bewegung, die sich zunehmend professionalisiert und zugleich mit internen Erwartungen ringt. Gerade in der Phase nach der Bundestagswahl ist dies ein realistischer Blick auf politische Konsolidierung.