Lesetipps der Woche (KW 34)

In dieser Rubrik erscheinen wöchentlich ausgewählte Artikel aus unabhängigen, meinungsstarken Medien – zusammengestellt von meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Als Abgeordneter bleibt im politischen Alltag oft zu wenig Zeit, um sich selbst täglich durch die Vielzahl an relevanten Beiträgen zu arbeiten. Deshalb erhalte ich regelmäßig ein fundiertes Pressebriefing, aus dem hier einige besonders lesenswerte Texte hervorgehoben werden. Die Auswahl setzt Impulse, regt zum Nachdenken an und eröffnet Perspektiven jenseits des etablierten Meinungskanons – zu Themen, die auch meine Arbeit im Landtag prägen: Frieden, Europa und die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland.

Hinweis: Die hier empfohlenen Beiträge spiegeln nicht in jedem Fall die Positionen von Nico Rudolph oder seinem Team wider. Sie wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz und Impulsstärke ausgewählt.


Manova: „Totgeglaubte leben länger“
von Rüdiger Rauls

Zusammenfassung

Rüdiger Rauls analysiert die Fehleinschätzungen westlicher Politiker und Medien hinsichtlich der russischen Widerstandskraft im Ukraine-Krieg. Entgegen früheren Prognosen zeigt sich Russland militärisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich stabil, während der Westen zunehmend mit inneren Spannungen, wirtschaftlichen Problemen und strategischen Zerwürfnissen zu kämpfen hat. Die Sanktionen treffen vor allem Europa, nicht Russland, das seine Handelsbeziehungen nach Asien verlagert hat. Westliche Hoffnungen, der russische Staat werde wie einst die Sowjetunion kollabieren, gründen laut Rauls auf oberflächlichen Analogien und verkennen die heutigen Unterschiede in Kapitalausstattung, wirtschaftlicher Vernetzung und strategischer Partnerschaft mit China.

Einordnung

Rauls stellt die westliche Narrative eines baldigen russischen Zusammenbruchs infrage und rückt stattdessen die systemische Krise des Westens in den Fokus. Der Text argumentiert, dass ökonomische Fehlprognosen, ideologische Voreingenommenheit und mediale Gleichförmigkeit zu einer gefährlichen Selbsttäuschung geführt haben. Besonders deutlich wird dies in der Diskrepanz zwischen den politischen Zielen – wie der wirtschaftlichen Ruinierung Russlands – und den tatsächlichen globalen Machtverschiebungen. Rauls warnt vor der sozialen Sprengkraft steigender Rüstungsausgaben im Westen und mahnt zur nüchternen Analyse anstelle ideologischer Wunschprojektionen.


NachDenkSeiten: „Kooperation mit der Bundeswehr – klingt wie neue Normalität und ist doch nur ein Baustein des Wahnsinnsprojekts Aufrüstung“
von Frank Blenz

Zusammenfassung

Frank Blenz kommentiert die wachsende Selbstverständlichkeit, mit der Kooperationen zwischen Bundeswehr und zivilen Unternehmen inzwischen ablaufen – exemplarisch am Besuch des sächsischen Wirtschaftsministers Dirk Panter bei einer Firma in Plauen, die mit der Bundeswehr kooperiert. Der Autor warnt vor der stillschweigenden Normalisierung eines umfassenden Militarisierungsprozesses, der tief in die Wirtschaft, Gesellschaft und politische Rhetorik einsickert. Der Standort in Plauen habe dabei nicht nur ökonomische, sondern auch historische Brisanz. Er kritisiert, dass wirtschaftliche Argumente und Arbeitsplatzsicherung zunehmend über friedenspolitische Bedenken gestellt würden – eine Haltung, die von Medien und Politik aktiv gestützt werde. Blenz verweist auf die massive Erhöhung des Verteidigungshaushalts (152,8 Mrd. Euro bis 2029), auf das Versiegen der „Friedensdividende“ und auf eine zunehmende Akzeptanz des Rüstungsbooms in der Bevölkerung – nicht zuletzt, weil auch viele Beschäftigte direkt von militärischen Aufträgen profitieren.

Einordnung

Der Artikel ist eine scharfe Kritik an der gesellschaftlichen und politischen Akzeptanz der Aufrüstung. Blenz verbindet persönliche Beobachtungen mit medien- und wirtschaftspolitischen Analysen und entlarvt die Argumentationslinien von Politik und Industrie als gefährlich verkürzt und zynisch. Mit Blick auf Panter und Kretschmer zeichnet er ein Bild ostdeutscher Landespolitik, die aktiv nach einem „Stück vom Aufrüstungskuchen“ strebt – auf Kosten ziviler Investitionen und friedenspolitischer Grundsätze. Der Text positioniert sich deutlich antimilitaristisch und fordert ein Umdenken, das sich nicht von kurzfristiger Ökonomie oder staatlicher Propaganda leiten lässt.


NachDenkSeiten: „Territoriale Integrität der Ukraine – oder die ‚Weiterentwicklung des Völkerrechts‘“
von Alexander Neu

Zusammenfassung

Alexander Neu analysiert die völkerrechtliche Dimension der Ukraine-Krise im Kontext westlicher Doppelmoral. Anlass ist ein anberaumtes bilaterales Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin in Alaska, das in Europa diplomatische Alarmreaktionen auslöst – aus Sorge, man könne über die Köpfe der Ukraine und EU hinweg über territoriale Fragen verhandeln. Neu stellt dem westlichen Beharren auf dem Prinzip der territorialen Integrität das eigene Verhalten gegenüber: Seit der Auflösung Jugoslawiens hätten die USA, Deutschland und andere westliche Staaten selbst aktiv die Norm der Unverletzbarkeit von Grenzen infrage gestellt – etwa durch Unterstützung sezessionistischer Bewegungen oder den völkerrechtswidrigen Kosovo-Krieg. Der Autor argumentiert, dass die „Weiterentwicklung des Völkerrechts“ als Vorwand diente, um geopolitische Interessen durchzusetzen. Diese doppelten Standards hätten eine globale Erosion der Normentreue begünstigt – eine Entwicklung, auf die sich nun auch Russland beruft, etwa in Bezug auf die Krim oder den Donbass.

Einordnung

Der Text ist eine grundsätzliche Kritik an der selektiven Anwendung und Instrumentalisierung des Völkerrechts durch den Westen. Neu zeigt mit detaillierten historischen Bezügen, wie unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts westliche Machtpolitik betrieben wurde – zulasten des Prinzips staatlicher Souveränität. Die parallele Gegenüberstellung westlicher und russischer Sichtweisen in zwei Vergleichsmatrizen macht deutlich: Beide Seiten argumentieren völkerrechtlich situativ, je nach geopolitischer Opportunität. Das ursprüngliche Ziel einer stabilen internationalen Rechtsordnung werde so untergraben. Der Beitrag fordert keine Parteinahme für Russland, sondern eine ehrliche Selbstreflexion westlicher Akteure über die Folgen eigener Normbrüche. Das Völkerrecht könne nur dann glaubwürdig verteidigt werden, wenn es universell gilt.


Jacobin: „Der US-Imperialismus war nie weg“
von Loren Balhorn

Zusammenfassung

Loren Balhorn analysiert die Rückkehr des US-Imperialismus im Kontext des Ukraine-Kriegs und kritisiert den Glauben an ein Ende der US-Hegemonie. Trumps Vermittlungsversuch sei kein Friedensangebot, sondern Ausdruck anhaltender Machtpolitik. Auch Teile der europäischen Linken hätten sich naiv der NATO angenähert und transatlantische Narrative übernommen, ohne die langfristige Rolle der USA bei der Eskalation des Konflikts zu reflektieren. Der Artikel warnt vor einem dauerhaften Kriegszustand im Dienst amerikanischer Interessen.

Einordnung

Der Beitrag stellt eine dezidiert antiimperialistische Perspektive dar und kritisiert sowohl US-Außenpolitik als auch linke Anpassungstendenzen. Balhorn fordert geopolitische Eigenständigkeit Europas und eine Rückbesinnung auf die Vision eines friedlichen, multipolaren Europas. Die Argumentation richtet sich gegen strategische Abhängigkeit, Aufrüstung und das Vergessen früherer US-Kriegsverbrechen.


Manova: „Die Angriffsdoktrin“
von Günther Burbach

Zusammenfassung

Günther Burbach argumentiert, dass die deutsche „Kriegstüchtigkeitsagenda“ über eine defensive Verteidigungsstrategie hinausgeht und faktisch auf offensive Einsatzfähigkeit abzielt. Anhand aktueller Waffenbeschaffungen (F-35, Taurus, Drohnen) zeigt er, dass Deutschland zunehmend in eine Logik präventiver Schläge eintritt. Der Beitrag kritisiert eine Militarisierung unter dem Deckmantel der Verteidigung und warnt vor einem Kontrollverlust über militärische Eskalationen durch NATO-Doktrin und geopolitische Interessen.

Einordnung

Burbach stellt die offizielle Erzählung einer rein defensiven Zeitenwende infrage und verweist auf historische Parallelen (Irak, Kosovo, Libyen, Afghanistan), in denen ebenfalls Verteidigung zur Legitimierung von Angriffskriegen diente. Der Text fordert ein Umdenken hin zu sicherheitspolitischer Souveränität, diplomatischer Resilienz und einem anderen, nichtmilitarisierten Selbstverständnis Deutschlands.


Globalbridge: „Die verbotene Vorgeschichte“
von Sabiene Jahn

Zusammenfassung

Sabiene Jahn beleuchtet die Ereignisse vor dem 24. Februar 2022 und wirft kritische Fragen zum westlichen Deutungsmonopol auf. Anhand von OSZE-Daten, UN-Statistiken und internationalen Rechtsnormen argumentiert sie, dass der Ukraine-Konflikt lange vor dem russischen Einmarsch eskalierte – begleitet von völkerrechtlichen Grauzonen, medialer Verzerrung und politischer Blockade. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle der Krim, den Minsker Vereinbarungen und der strukturellen Ohnmacht der Vereinten Nationen.

Einordnung

Der Beitrag plädiert für eine entideologisierte Auseinandersetzung mit Kriegsvorgeschichten und verweist auf das Scheitern internationaler Ordnungsinstrumente wie UNO und OSZE. Jahn fordert eine tiefgreifende Reform globaler Sicherheitsstrukturen und eine Abkehr von machtpolitisch motivierter Völkerrechtsauslegung. Ihre Analyse rückt Perspektiven ins Zentrum, die im westlichen Mainstream weitgehend ausgeklammert bleiben – als Einladung zu mehr Komplexität, Ehrlichkeit und Rechtsklarheit in der internationalen Debatte.


Manova: „Erziehung zum Krieg“
von Conny Stahmer-Weinandy

Zusammenfassung

Der Text ist ein Exklusivauszug aus dem Buch „Militarisierung der Gesellschaft“ und analysiert, wie Menschen gezielt mental auf Krieg vorbereitet werden. Ausgehend von Peter Brückners Überlegungen zur Friedensfähigkeit des Menschen beschreibt die Autorin, wie durch Propaganda, Abstraktion und Entfremdung die Hemmschwelle zum Töten gesenkt wird. Besonders die Betonung von Resilienz, Opferbereitschaft und Loyalität zur Staatsräson wird als strategische Vorbereitung auf zukünftige Kriege gedeutet. Der Beitrag stellt zentrale Mechanismen dieser Erziehung dar: die Abwertung individueller Gefühle, die Heroisierung des Tötens, die Verharmlosung von Leid und die gezielte Erzeugung von Feindbildern.

Einordnung

Conny Stahmer-Weinandy warnt vor einer schleichenden gesellschaftlichen Normalisierung kriegerischer Logik, die sich in Rhetorik, Pädagogik und öffentlicher Kommunikation niederschlägt. Sie kritisiert die ideologische Umdeutung von Resilienz als Waffe gegen das eigene Mitgefühl und stellt klar: Der Mensch will keinen Krieg – er muss erst dazu gemacht werden. Die Autorin greift aktuelle Narrative von Politik und Medien auf und legt deren manipulative Wirkung offen. Der Beitrag ist ein flammendes Plädoyer gegen Kriegspropaganda und für die Rückgewinnung eines humanistischen Gesellschaftsbildes.


NachDenkSeiten: „,Deutschland muss seine Bürger zur Waffe zwingen‘ – Neue Zürcher Zeitung mit Aufruf zum Verfassungsbruch“
von Marcus Klöckner

Zusammenfassung

Marcus Klöckner kritisiert einen Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), der offen fordert, deutsche Bürger zum Wehrdienst zu zwingen. Die Formulierung, die in einem Vorschaubild mit dem Zitat „Deutschland muss seine Bürger zur Waffe zwingen“ erscheint, sei nicht nur ein Bruch mit der Presseethik, sondern auch ein direkter Aufruf zum Verfassungsbruch. Klöckner verweist auf Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes, der das Recht auf Kriegsdienstverweigerung garantiert, als Lehre aus der NS-Zeit. Er bemängelt die Doppelmoral vieler Medien: Während kritische Positionen zu Themen wie Corona oder dem Ukraine-Krieg häufig als „extrem“ delegitimiert würden, finde eine radikale militaristische Position wie in der NZZ dennoch Platz in einem Leitmedium. Der Autor sieht darin eine besorgniserregende Entwicklung hin zu einem autoritär-militaristischen Diskurs. Besonders problematisch sei die Biografie des NZZ-Autors, der zuvor Unternehmenssprecher bei Heckler & Koch war – was die Nähe zur Rüstungsindustrie dokumentiere.

Einordnung

Klöckner nutzt den Fall exemplarisch, um eine generelle Schieflage in der Medienlandschaft anzuprangern: Die Toleranz gegenüber militaristischen, verfassungswidrigen Positionen steige, während Kritik an Regierungslinien als extremistisch diffamiert werde. Der Beitrag ist ein deutlich formulierter medienkritischer Kommentar, der den aktuellen Diskurs über Wehrpflicht und Kriegsbereitschaft mit Fragen nach Demokratie, Presseethik und Grundrechten verknüpft. Die Nähe zwischen Medien und Rüstungsindustrie wird dabei als besonders gefährlich hervorgehoben.


NachDenkSeiten: „Die USA beherrschen Europa“
von Klaus von Dohnanyi & Erich Vad

Zusammenfassung

Der veröffentlichte Auszug aus dem Gesprächsband „Krieg oder Frieden – Deutschland vor der Entscheidung“ dokumentiert eine tiefgreifende Diskussion zwischen Klaus von Dohnanyi und Erich Vad über die geopolitische Lage Europas, die Rolle Deutschlands und die zunehmende Dominanz der USA. Beide Gesprächspartner warnen vor einer strategischen Fehlorientierung deutscher Außenpolitik, die sich zu sehr auf Konfrontation mit Russland und China konzentriere. Statt Wiederbewaffnung fordern sie eine Vermittlerrolle Europas im globalen Süden und gegenüber den BRICS-Staaten. Ein zentraler Punkt der Kritik ist die nukleare Teilhabe Deutschlands, die faktisch keine Souveränität ermögliche – die Kontrolle liege bei den USA. Erich Vad betont die strategische Bedeutung nuklearer Abschreckung, während von Dohnanyi dies als Märchen zurückweist und auf die Illusion westlicher Kontrolle verweist. Beide schildern zudem eindrücklich ihre Erfahrungen mit NATO-Übungsszenarien, in denen Deutschland als nukleares Schlachtfeld fungierte.

Einordnung

Das Gespräch bringt zwei prominente sicherheitspolitische Stimmen zusammen, die jenseits parteipolitischer Linien einen grundlegenden Paradigmenwechsel fordern: Weg von Abhängigkeit und militärischer Eskalation, hin zu europäischer Eigenständigkeit, Diplomatie und strategischer Weitsicht. Mit Verweis auf historische Erfahrungen und aktuelle Machtverhältnisse wird die These untermauert, dass Europa außenpolitisch zunehmend fremdbestimmt agiert. Der Beitrag bietet einen seltenen Einblick in die realpolitische Ohnmacht deutscher Sicherheitspolitik – und einen Aufruf zu mutigerem, souveränerem Denken.

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