Am 13. Februar 2025, dem Vorabend des 80. Jahrestags der Bombardierung Dresdens, habe ich im Plenum des Sächsischen Landtages unseren Antrag „Diplomatie statt Konfrontation – Es ist an der Zeit!“ (Drs 8/1515) eingebracht. In einer Zeit, in der neue Kriegsrhetorik zur politischen Routine geworden ist, habe ich für eine friedensorientierte Sicherheits- und Außenpolitik plädiert – auch aus Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte.
Ich habe dafür geworben, dass Sachsen im Bundesrat friedenspolitische Impulse setzt, militärische Eskalation nicht länger mitträgt und stattdessen den Mut zeigt, als Ausgangspunkt einer außenpolitischen Wende in Deutschland zu wirken – ganz in der Tradition der sächsischen Friedensbewegung von 1989.
Hier dokumentiere ich meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
wenn man zum 80. Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Westalliierten einen friedenspolitischen Antrag stellt, dann muss man Dresden natürlich mit besprechen. Ich habe mit meinem Kollegen Lutz Richter abgestimmt, dass er diesen Teil übernehmen wird.
Ich möchte nun erläutern, auf welche Gedanken sich unser Ansatz stützt. Mit der Erfindung von Kernwaffen wurde es möglich, dass sich die Menschheit innerhalb von wenigen Stunden selbst zu Grabe trägt. Die USA behalten sich seit Jahrzehnten den Ersteinsatz von Kernwaffen vor und Russland hält dies infolge der Entwicklung im Ukraine-Krieg seit einigen Jahren ebenso unter bestimmten Bedingungen.
Der Einsatz von Atomwaffen ist aber nicht kontrollierbar. Fängt eine Seite an, so kann eine nicht mehr aufhaltbare Kettenreaktion erfolgen, die bis zur Auslöschung der Spezies Mensch führen kann. Neben der bewussten menschlichen Entscheidung eines Präsidenten oder ähnlich für einen solchen Einsatz, der hoffentlich nach Hiroshima und Nagasaki niemals wieder stattfinden möge, gibt es eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die dazu führen, dass eine atomare Eskalation stattfinden kann.
Das betrifft menschliche als auch technische Fehler. Ich möchte hier nur eines von mehreren Beispielen benennen, das in der Weltgeschichte bisher geschehen ist und zu einer solchen Eskalation hätte führen können. Und zwar am 26. September 1983.
In einer Atomraketenzentrale südlich von Moskau erhielt der Kommandeur Stanislav Petrov eine Meldung seines Computers, dass die USA mit Atomraketen auf die Sowjetunion schießen. Und nun hätte er eigentlich diese Meldung direkt an den Kreml weitergeben müssen. Und wer weiß, was die dann gemacht hätten. Er hat sich aber erst einmal die Information angeschaut und hat gesagt, das ist für ihn nicht stichhaltig, diese Daten, die der Satellit dort weitergibt. Und deshalb hat er für sich selbst entschieden, unter hohem militärischem Risiko, dass er das also nicht weitergeben wird.
Das Risiko wäre gewesen, wenn es wirklich diesen Angriff gegeben hätte, dann hätte er quasi sein Land geopfert, denn danach hätte man nicht mehr zurückschlagen können. Er behielt also einen kühlen Kopf. Nun stellen Sie sich mal vor, in dieser Situation, von der es wie gesagt schon mehrere gab, hätten keine besonnenen Menschen entschieden, sondern Fanatiker oder Personen, die den immensen psychischen Belastungen nicht standgehalten hätten.
Unser Schicksal, auch hier in Sachsen, hängt davon ab, dass hochkomplexe Technik richtig funktioniert und dass zufällig die richtige Person, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, die richtige Entscheidung trifft.
Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Zukunft sollte aber nicht vom Zufall abhängen. Warum sollte nun vom Freistaat Sachsen eine Initiative gegenüber der Bundesregierung ausgehen? In einer aufgeheizten geopolitischen Atmosphäre verringert sich das Vertrauen zwischen den Seiten. Kommunikationskanäle, die Missverständnisse klären können, werden gekappt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Fehler nicht mehr rückgängig zu machen sind. Daher sind unseres Erachtens wirklich alle Möglichkeiten zu nutzen, Druck für eine Politik der Verständigung zu machen.
Die Landesregierung hat ja unter anderem die Möglichkeit, im Bundesrat aktiv zu werden. Und wenn Herr Kretschmer seine regelmäßigen Bekundungen ernst meint, dann wird er mindestens in Brandenburg unter der SPD-BSW-Koalition und in Thüringen unter der Brombeer-Koalition Mitstreiter finden. Sicherlich kann die Bundesregierung zu nichts gezwungen werden.
Aber der Diskurs wird sich natürlich maßgeblich Richtung Deeskalation verändern, wenn aus den Bundesländern zusätzlicher Druck kommt. Und es ist auch ein wichtiges Zeichen an die Bevölkerung in Sachsen, dass wir nicht jeden Unsinn mitmachen, den die Bundesregierung ausführt. Die Forderungen nach dem Stopp der militärischen Nutzung von zivilen Flughäfen und der Ablehnung von Stationierung ausländischer NATO-Truppen haben einen sehr konkreten Bezug zu Sachsen und würden die Gefahren für die sächsische Bevölkerung im Konfliktfall massiv verringern.
Auf den Krieg müssen wir uns ja angeblich vorbereiten, so jüngst NATO-Chef Rutte. Als ob das quasi ein Naturgesetz sei. Man gewöhnt sich scheinbar an solche Aussagen und nimmt es hin.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir vom BSW gewöhnen uns daran nicht!
Und wenn es auch Wahnsinn ist, so hat es doch Methode. Bestimmte Interessenkreise aus der neokonservativen, transatlantischen Ecke mit großer Nähe zur Rüstungsindustrie wollen die Gesellschaft militarisieren und uns auf Krieg trimmen. Als BSW verweigern wir uns dieser Entwicklung.
Nun könnten Sie einwenden: „Für Frieden wird schon Trump sorgen, denn scheinbar wählt er den Grundsatz Diplomatie statt Konfrontation.“ Wenn diese Gespräche erfolgreich sind, kann man nur alle Seiten beglückwünschen. Aber Stand heute wissen wir das noch nicht. Das ist alles Kaffeesatzleserei.
Unser Anspruch ist ein anderer. Wir sagen, Deutschland bzw. Europa muss sich von den USA lösen und eigenständige Wege in der Sicherheitspolitik gehen.
Oder wollen Sie wirklich die Politik Deutschlands und Europas nach Trump ausrichten?
Stellen Sie sich mal vor, es gab Zeiten, da waren deutsche Bundeskanzler in der Welt angesehen. Willy Brandt und in seiner späteren Phase auch Helmut Kohl haben sich für Deeskalation eingesetzt. Ihr Wort hatte Gewicht. Aber nicht, eben nicht, weil sie außenpolitischer Hotliner gewesen wären, sondern weil sie als Vermittler aufgetreten sind. Weil sie die spezifische deutsche Rolle nach dem Zweiten Weltkrieg beachtet haben. Weil sie Diplomatie statt Konfrontation gewählt haben.
Und das nicht in Zeiten politischen Tauwetters, sondern in Zeiten großer Spannung zwischen den Machtblöcken. Zum Tauwetter kam es nach diesen Initiativen. Etwa bei der sogenannten Entspannungspolitik Willy Brandts, der nach bzw. trotz der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 diese durchgeführt hat.
Das Wort Entspannung trägt es ja in sich. Ent-spannen. Konfrontation löst man ja auch im Zwischenmenschlichen, nicht dadurch, dass man weiter eskaliert und darauf beharrt, dass man alles richtig gemacht hat und die Gegenseite alles falsch. Dass es 1990 zur deutschen Einheit kommen konnte, war maßgeblich dem auf Verständigung setzenden Ansatzes Helmut Kohls gegenüber der Sowjetunion zurückzuführen. Aber ohne Gorbatschows „Ja“ zur deutschen Einheit – wären wir heute noch in der DDR? Gut möglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sachsen war der Ausgangspunkt des Wendeprozesses 1989 in der DDR. Lassen Sie uns Sachsen nun zum Ausgangspunkt einer außenpolitischen Wende der Bundesrepublik Deutschland machen.
Vielen Dank.
Im weiteren Verlauf der Plenardebatte habe ich nochmals das Wort ergriffen – mit einer Klarstellung zu den Punkten unseres Antrags und einem Appell an alle Fraktionen:
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
ich wollte kurz noch ein paar Sachen zur letzten Diskussion sagen.
Also, Herr Schuster [Armin Schuster, Sächsischer Staatsminister des Innern, CDU], wenn Sie sagen, „Auf Kaliningrad müssen wir mit eigenen Raketen reagieren.“, dann ist das für mich als wollte man Feuer mit Benzin löschen. Das ist ja gerade nicht der Ansatz, den wir vertreten.
Und Sie, Herr Urban [Jörg Urban, AfD], haben gesagt, das stünde nicht mit im Antrag drin. Wenn Sie genau gucken, es steht indirekt drin, und zwar unter Punkt 2. Wir fordern ja einen multilateralen Vertrag über Abrüstung und das Verbot von Mittelstreckenraketen in Europa. Und da würde das dann mit reinfallen, wobei man ja, der Wahrheit halber auch sagen muss, die Russen sagen, das sind keine Mittelstreckenraketen, das sind Kurzstreckenraketen. Das wäre dann eben im diplomatischen Wege zu erörtern. Und man muss auch sagen, die haben immer gesagt, sie wären für Kontrollen offen.
Und nun, Herr Hartmann [Stefan Hartmann, Die Linke], an Ihre Adresse: Sie haben ja recht, wenn Sie der AfD vorwerfen, dass sie eine Partei der Aufrüstung sei; also zumindest Frau Weidel hat ja klar gesagt, 5 % als Ziel, das hat sie mehrfach gesagt so. Aber nun ist es ja so, schauen Sie in unseren Antrag, Punkt 3, dort sagen wir, wir wollen den Rüstungsetat strukturell verringern. Das heißt, wenn Sie hier zustimmen, dann ist da nichts mit Aufrüstung, sondern da ist da was mit Abrüstung. Und das ist eben das Relevante. Und von daher, Kollegen der AfD, wenn Sie also jetzt für Abrüstung sind, dann nehmen wir das gerne mit.
Aber ich denke, bei diesem Antrag geht es nicht um das BSW, es geht auch nicht um die Linke oder die AfD oder Ihre Parteien. Es geht darum, wie wir die Zukunft angehen wollen. Wollen wir jetzt erst darauf warten, dass ein Herr Merz aus Dummheit oder aus Borniertheit uns mit Taurus-Raketen zur direkten Kriegspartei macht? Egal, ob die auf Russland gehen oder eben auf die Krim oder woanders hin, das spielt ja hier gar keine Rolle. Wollen wir dann warten, dass der Bundestag daraufhin vielleicht bald in Trümmern liegt und mit ihm noch viel mehr? Die Floskel, Herr Günther [Wolfram Günther, Bündnis 90/Die Grünen], „Der Russe hat ja angefangen.“, wird uns dann nichts mehr nützen.
Sie sollen ja also nicht wegen uns zustimmen. Sie sollen zustimmen, weil eine klare Mehrheit der Sachsen Verhandlungslösungen fordert. Sie sollen zustimmen, weil unsere aller Zukunft, die Zukunft auch Ihrer Kinder, davon in Europa abhängt.
Der derzeitige Kurs der Eskalation und Kriegsvorbereitung, ich hatte es vorhin in meiner Rede benannt, der stellt Frieden eben nicht sicher, sondern er bedroht ihn. Daher lassen Sie uns die Chance zu einem Weg der Verständigung nutzen.
Vielen Dank.