Lesetipps der Woche (KW 25)

In dieser Rubrik erscheinen wöchentlich ausgewählte Artikel aus unabhängigen, meinungsstarken Medien – zusammengestellt von meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Als Abgeordneter bleibt im politischen Alltag oft zu wenig Zeit, um sich selbst täglich durch die Vielzahl an relevanten Beiträgen zu arbeiten. Deshalb erhalte ich regelmäßig ein fundiertes Pressebriefing, aus dem hier einige besonders lesenswerte Texte hervorgehoben werden.
Die Auswahl setzt Impulse, regt zum Nachdenken an und eröffnet Perspektiven jenseits des etablierten Meinungskanons – zu Themen, die auch meine Arbeit im Landtag prägen: Frieden, Europa und die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland.


Hinweis: Die hier empfohlenen Beiträge spiegeln nicht in jedem Fall die Positionen von Nico Rudolph oder seinem Team wider. Sie wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz und Impulsstärke ausgewählt.


NachDenkSeiten: „Wir haben eine Welt zu gewinnen, die es zu verändern gilt“
von Sevim Dağdelen

Zusammenfassung

In einem Vortrag in Madrid rechnet Sevim Dağdelen scharf mit der NATO ab. Sie bezeichnet den Militärpakt nicht als Verteidigungs- oder Wertebündnis, sondern als imperialistisches Instrument zur Aufrechterhaltung der US-Hegemonie – verantwortlich für Kriege, Völkermord und neokoloniale Kontrolle. Die NATO diene nicht der Sicherheit, sondern der Eskalation, verhindere demokratische Souveränität und bereite mit historischer Aufrüstung einen globalen Stellvertreterkrieg gegen Russland und China vor. Besonders kritisiert Dağdelen die Rolle Deutschlands, die Unterordnung Europas und die sozialen Kosten dieser Politik. Sie fordert eine radikale Abkehr von Aufrüstung und Konfrontation zugunsten sozialer Gerechtigkeit und globaler Friedensordnung.

Einordnung

Ein radikaler und kämpferischer Beitrag, der die NATO als systemisches Problem beschreibt – nicht nur außenpolitisch, sondern auch sozialpolitisch. Dağdelen verknüpft Krieg, Propaganda und Verarmung zu einer fundamentalen Kritik westlicher Machtpolitik. Der Text lässt keinen Zweifel an der politischen Stoßrichtung: Eine Absage an den NATO-Kurs als Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit und internationale Stabilität. Gerade im Vorfeld des NATO-Gipfels provoziert dieser Vortrag zur Auseinandersetzung mit der Gretchenfrage: „Wie hältst Du’s mit der NATO?“


NachDenkSeiten: „Analyse: Ukrainischer Drohnenangriff auf das nuklearstrategische Gleichgewicht“
von Alexander Neu

Zusammenfassung

Alexander Neu analysiert die sicherheitspolitischen Folgen des ukrainischen Drohnenangriffs vom 1. Juni auf russische Militärflugplätze, bei dem mehrere strategische Bomber zerstört wurden. Diese Flugzeuge sind Teil der russischen nuklearen Triade und dienen als Trägersysteme für atomare Marschflugkörper. Neu warnt, dass ein solcher Angriff nicht nur militärische, sondern gravierende strategische Implikationen habe: Die nukleare Zweitschlagsfähigkeit Russlands werde geschwächt, was das globale Gleichgewicht bedrohe. Zudem könnten die USA als indirekt involviert gelten – mit unkalkulierbaren Eskalationsrisiken. Auch der New-Start-Vertrag werde durch diese Entwicklung weiter beschädigt, was ein Ende der Rüstungskontrolle befürchten lasse.

Einordnung

Ein eindringlicher und analytisch scharfer Beitrag, der die Eskalationsgefahr des Ukraine-Krieges in einen nuklearstrategischen Kontext rückt. Neu betont, dass nicht alles, was völkerrechtlich erlaubt oder militärisch verständlich ist, auch politisch verantwortbar sei. Der Artikel warnt vor Leichtfertigkeit und Schadenfreude im Westen und plädiert für ein entschiedenes Signal an Kiew, nuklearrelevante Ziele künftig nicht ins Visier zu nehmen – im Interesse der globalen Sicherheit. Eine lesenswerte Mahnung gegen politische Kurzsichtigkeit im Schatten der nuklearen Abschreckung.


Blog der Republik: „Ich habe unterschrieben!“
von Norbert Walter-Borjans

Zusammenfassung

Norbert Walter-Borjans erklärt seine Unterstützung für das Manifest der SPD-Friedenskreise, das eine sicherheitspolitische Kehrtwende fordert. Angesichts eines drohenden Stellvertreterkriegs größeren Ausmaßes ruft er zu einer rationalen Debatte über Alternativen zum „Abnutzungskrieg“ in der Ukraine auf – etwa ein Einfrieren der Front unter Waffenstillstandsbedingungen. Er kritisiert die Polarisierung innerhalb der SPD, die Diskreditierung friedenspolitischer Positionen und warnt vor einem sicherheits- und haushaltspolitischen Kurs, der militärische Eskalation begünstigt und soziale Ressourcen bindet. Auch die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen im Rhein-Main-Gebiet sieht er als Risiko für Deutschland.

Einordnung

Ein notwendiger, wenn auch überfälliger Appell für eine Rückbesinnung auf sozialdemokratische Friedenspolitik. Walter-Borjans verbindet historische Lehren mit einer nüchternen Einschätzung der militärischen und gesellschaftlichen Lage. Der Beitrag plädiert nicht für Naivität gegenüber Russland, sondern für eine verantwortungsvolle Suche nach diplomatischen Auswegen – jenseits von Lagerdenken und Aufrüstung als Allheilmittel. Seine Kritik richtet sich dabei auch an die eigene Partei und wirbt für einen respektvollen innerparteilichen Streit um den richtigen Kurs. Bemerkenswert ist, dass das BSW viele dieser Positionen seit Langem vertritt – etwa die Ablehnung eines „whatever it takes“-Kurses bei Waffenlieferungen und die Warnung vor sozialer Entleerung durch Aufrüstung. Trotzdem wird eine ernsthafte Zusammenarbeit weiterhin verweigert – aus parteitaktischen Gründen, nicht wegen inhaltlicher Differenzen. Das Manifest zeigt: Friedenspolitische Vernunft gibt es vereinzelt auch innerhalb der Regierungskoalition – nur will niemand sie hören.

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