In dieser Rubrik erscheinen wöchentlich ausgewählte Artikel aus unabhängigen, meinungsstarken Medien – zusammengestellt von meinem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Als Abgeordneter bleibt im politischen Alltag oft zu wenig Zeit, um sich selbst täglich durch die Vielzahl an relevanten Beiträgen zu arbeiten. Deshalb erhalte ich regelmäßig ein fundiertes Pressebriefing, aus dem hier einige besonders lesenswerte Texte hervorgehoben werden.
Die Auswahl setzt Impulse, regt zum Nachdenken an und eröffnet Perspektiven jenseits des etablierten Meinungskanons – zu Themen, die auch meine Arbeit im Landtag prägen: Frieden, Europa und die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland.
Hinweis: Die hier empfohlenen Beiträge spiegeln nicht in jedem Fall die Positionen von Nico Rudolph oder seinem Team wider. Sie wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz und Impulsstärke ausgewählt.
NachDenkSeiten: „Zwischen Prävention und Aggression – Der Iran-Israel-Krieg als globaler Präzedenzfall“
von Detlef Koch
Zusammenfassung
Detlef Koch analysiert die jüngste Eskalation zwischen Israel und dem Iran als Wendepunkt internationaler Sicherheitsordnung. Der Beitrag legt dar, wie beide Seiten systematisch das Gewaltverbot der UN-Charta unterlaufen – durch offene Luftschläge, Cyberattacken und indirekte Kriegsführung über Stellvertreter. Die USA agieren dabei nicht als neutrale Instanz, sondern als verdeckte Kriegspartei mit strategischem Eigeninteresse. Koch argumentiert, dass dieser Konflikt eine globale Signalwirkung entfaltet: Völkerrecht wird selektiv ausgelegt, zivile Opfer werden als Kollateralschäden hingenommen und Diplomatie zur leeren Geste degradiert. Die Leidtragenden seien die Bevölkerungen – auf beiden Seiten.
Einordnung
Mit diesem alarmierenden Beitrag über die Erosion internationaler Normen im Schatten asymmetrischer Kriegsführung zeigt Koch, wie politische Eliten den Krieg innenpolitisch instrumentalisieren – in Israel wie im Iran –, während die internationale Gemeinschaft tatenlos bleibt. Besonders relevant ist der Text, weil er strukturelle Parallelen zu anderen globalen Konflikten aufzeigt und eindringlich warnt: Wenn das Völkerrecht weiter ausgehöhlt wird, droht ein Rückfall in eine Welt der doppelten Standards und des „Rechts des Stärkeren“. Ein wichtiger Impuls für alle, die Friedenssicherung nicht als Schlagwort, sondern als Maßstab politischer Verantwortung verstehen.
Globalbridge: „Der Krieg gegen die Souveränität“
von Patrick Lawrence
Zusammenfassung
Patrick Lawrence sieht im Angriff Israels und der USA auf den Iran eine historische Zäsur: Es gehe nicht nur um militärische Aggression, sondern um das systematische Auflösen des Völkerrechts und des Prinzips staatlicher Souveränität. Ausgehend vom Westfälischen Frieden 1648 und der UN-Charta 1945 zeichnet er den Zerfall der internationalen Ordnung als gezielte Strategie westlicher Machtpolitik – von Afghanistan über Irak bis hin zu Gaza und nun dem Iran. Die aktuelle Eskalation wird als logische Fortsetzung einer 24-jährigen Phase wachsender Gesetzlosigkeit beschrieben. Besonders kritisch ist Lawrence gegenüber der US-Rolle, die aus seiner Sicht in eine verzweifelte Phase hegemonialer Sicherung eingetreten sei. Die Angriffe auf iranische Nuklearanlagen symbolisieren dabei einen endgültigen Bruch mit rechtsstaatlichen Prinzipien.
Einordnung
Ein tiefgreifender, historisch argumentierender Essay, der die militärische Eskalation im Iran als Symptom einer globalen Erosion der Rechtsordnung interpretiert. Lawrence betont den Zusammenhang zwischen westlicher Interventionspolitik und dem Verlust an völkerrechtlicher Bindungskraft. Bemerkenswert ist seine These, dass gerade die regelbasierte Ordnung zur Fiktion wurde, indem sie universelle Gültigkeit nur vorgaukle – de facto aber westlicher Dominanz diene. Der Text stellt damit nicht nur aktuelle Kriegsentscheidungen in Frage, sondern auch das geopolitische Fundament westlicher Außenpolitik. Für eine kritische Friedenspolitik liefert er historische Tiefe und argumentative Schlagkraft – besonders mit Blick auf die Rolle Deutschlands als Teil dieser „Ordnungsfiktion“.
Manova: „Der Friedens-Analphabetismus“
von Jan Oberg
Zusammenfassung
Jan Oberg kritisiert in seinem Essay scharf die fehlende Friedenskompetenz westlicher Eliten. Er spricht von einem „Friedens-Analphabetismus“, der politische Entscheidungsträger, Medien und selbst viele Wissenschaftler präge. Friedensarbeit sei zu einer vergessenen Kunst geworden, verdrängt durch Militarismus, Aufrüstung und ein ideologisch aufgeladenes Freund-Feind-Denken. Statt echter Konfliktlösung dominiere ein oberflächliches Narrativ von „Verhandlungen“, das die grundlegenden Dynamiken ignoriert. Oberg beklagt, dass sowohl zivile Friedensstrategien als auch internationale Institutionen wie die UNO systematisch ausgeklammert werden. Friedensfähigkeit sei eine zivilisatorische Kompetenz – und ihr Verlust führe zwangsläufig zum Niedergang.
Einordnung
Oberg analysiert in diesem grundlegenden Beitrag zur intellektuellen Selbstvergewisserung friedenspolitischer Positionen die strukturellen Ursachen des westlichen Kriegsdenkens und fordert eine Rückbesinnung auf strategische, langfristige Friedensstiftung. Er benennt dabei auch konkrete Mechanismen und Denkfehler, etwa das Fehlen echter Mediation oder die Verwechslung von Waffenstillstand mit Friedensschluss. Der Text ist nicht nur Anklage, sondern auch Plädoyer: für eine Wiederbelebung friedenspolitischer Bildung, für strukturelle Innovationen in der Konfliktbearbeitung – und für den Mut, der herrschenden Rüstungslogik intellektuell und moralisch entgegenzutreten.
NachDenkSeiten: „Prinzipien im freien Fall: Wie der Westen die internationale Ordnung untergräbt“
von György Varga
Zusammenfassung
György Varga analysiert die Erosion völkerrechtlicher Prinzipien durch den sogenannten „kollektiven Westen“ und kritisiert die selektive Anwendung internationaler Normen im Ukraine-Krieg und Nahostkonflikt. Am Beispiel des israelisch-US-amerikanischen Angriffs auf den Iran konstatiert er einen fundamentalen Bruch mit der UN-Charta und eine gefährliche Moralisierung außenpolitischer Entscheidungen. Der Autor wirft zentrale Fragen zur Legitimierbarkeit von Gewalt, zur Rolle von Geheimdiensten, zur Glaubwürdigkeit westlicher Wertepolitik sowie zur Instrumentalisierung des Internationalen Strafgerichtshofs auf. Auch Trumps Image als Friedenspräsident wird angesichts seines Handelns im Iran-Konflikt infrage gestellt. Varga schließt mit der Warnung, dass der Westen mit seiner Doppelmoral und Machtlogik die Weltordnung ins Chaos stürzt – auf Kosten seiner eigenen Glaubwürdigkeit und langfristigen Sicherheit.
Einordnung
Aus seiner diplomatischen Perspektive heraus stellt dieser scharfe, teils sarkastische Beitrag die westliche Außenpolitik als zutiefst widersprüchlich dar. Die Gegenüberstellung moralischer Rhetorik und machtpolitischer Praxis zielt auf eine fundamentale Kritik der aktuellen Weltordnung. Besonders relevant im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zwischen Völkerrecht, nuklearer Rüstungskontrolle und der außenpolitischen Rolle Israels und der USA. Auch wenn der Ton pointiert ist, regt der Artikel zu einer grundlegenden Debatte über Doppelstandards, Gewaltlegitimation und die Zukunft internationaler Normen an.
NachDenkSeiten: „Der Wahnsinn hat Methode“
von Irmtraud Gutschke über Ulrike Guérot
Zusammenfassung
In Irmtraud Gutsches Besprechung von Ulrike Guérots neuem Buch Zeitenwenden steht die Kritik an der politischen, gesellschaftlichen und medialen Entwicklung der Bundesrepublik im Mittelpunkt. Guérot beschreibt eine „veränderte Republik“, geprägt von Angstregimen, autoritären Tendenzen und dem Verlust demokratischer Grundfesten – von Frieden über Rechtsstaatlichkeit bis zu sozialem Zusammenhalt. Die „Zeitenwende“ wird als propagandistisches Vehikel zur Durchsetzung eines neuen politischen Paradigmas beschrieben, das Kriegswirtschaft, Militarisierung und gesellschaftliche Spaltung normalisiert. Der Osten Deutschlands erscheint Guérot als Gegenbild – resistenter gegenüber autoritärer Gleichschaltung, erfahrener im Umgang mit Propaganda. Das Buch verknüpft historische Reflexion mit Gegenwartsanalyse, übt medien- und systemkritische Polemik und warnt vor der schleichenden Abschaffung demokratischer Freiheitsrechte.
Einordnung
Ein leidenschaftlicher, provokativer Text, der Guérots Perspektive verteidigt und auf die politischen Implikationen der derzeitigen Umbrüche aufmerksam macht. Gutsches Besprechung betont Guérots Mut zur Konfrontation mit medialen und politischen Tabus – vom Ukrainekrieg bis zur inneren Entwicklung Deutschlands. Die Relevanz liegt in der Verbindung systemischer Kritik mit gesellschaftlicher Selbstvergewisserung. Besonders bemerkenswert ist die ostdeutsche Perspektive auf bürgerliches Engagement, Freiheitsverständnis und politische Resilienz. Der Beitrag lädt ein zur Debatte über Autorität, Meinungsmacht und demokratischen Eigensinn – gerade in Zeiten eskalierender außen- wie innenpolitischer Unsicherheit.
Multipolar: „Streitkultur im Deutschlandfunk“
von Walter van Rossum
Zusammenfassung
Walter van Rossum analysiert ein Streitgespräch im Deutschlandfunk, in dem zwei Redaktionsleiter über den Umgang mit AfD-Politikern diskutieren. Während Christiane Florin Interviews mit der AfD ablehnt – mit Verweis auf deren Diskursverweigerung und Rechtsextremismus –, plädiert Friedbert Meurer für journalistische Offenheit und das Format „kontroverses Interview“. Van Rossum kritisiert, dass das Streitgespräch letztlich kein Dialog, sondern ein Tribunal sei, das von Vorverurteilungen geprägt ist. Er beleuchtet, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in eine abgeschottete „mediale Oberwelt“ verwandelt habe, in der abweichende Meinungen dämonisiert statt diskutiert würden – mit Folgen für Pluralismus und demokratische Kultur.
Einordnung
Dieser zugespitzte und pointierte Kommentar rührt an einem fundamentalen Problem der Medienkultur: Wo endet journalistische Verantwortung – und wo beginnt der Schutz eigener Narrative vor Widerspruch? Van Rossum diagnostiziert einen Wandel des Deutschlandfunks von der Plattform des Dialogs hin zur Instanz ideologischer Kontrolle. Lesenswert als Einblick in das Selbstverständnis etablierter Medien und ihre wachsende Angst vor öffentlicher Auseinandersetzung mit oppositionellen Stimmen – gleichgültig, ob man deren Inhalte teilt oder nicht.