Chemnitz und Wolgograd: Streit um Städtepartnerschaft eskaliert im Stadtrat

Städtepartnerschaft mit Wolgograd: Warum unser Antrag wichtig war – und was in der Debatte schief lief

Die Stadtratssitzung am 9. April hat mich noch lange beschäftigt. Die Diskussion über unseren Antrag zur Wiederaufnahme der Städtepartnerschaft mit Wolgograd war eine der aufgeheiztesten seit langem – und inhaltlich leider auch eine der enttäuschendsten. Dabei ging es uns als BSW-Fraktion nicht um Symbolpolitik, sondern um eine sachliche Frage: Wie kann Chemnitz in Zeiten verhärteter Fronten ein Zeichen der Verständigung setzen?

Warum uns Wolgograd wichtig ist

Chemnitz und Wolgograd verbindet eine über drei Jahrzehnte alte Partnerschaft. 1988 begründet, war sie lange ein lebendiger Teil der städtischen Außenbeziehungen. Noch im Jahr 2021 taufte die CVAG eine Straßenbahn auf den Namen „Wolgograd“ – das letzte gemeinsame Projekt, für das ganze zwölf Euro im Haushalt standen. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind die Kontakte eingefroren, doch die Verbindung existiert weiter.

Unser Antrag zielte darauf ab, diese Partnerschaft auf ziviler Ebene wieder zu aktivieren – gerade im Kulturhauptstadtjahr. Denn wenn Politik und Diplomatie scheitern, sind es oft Kommunen und Bürgerinnen und Bürger, die Brücken bauen können.

Wir wollten, dass die Stadt prüft, wie ein Besuch oder Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wolgograd möglich wäre – ohne die Position der Bundesregierung zu unterlaufen, aber mit dem klaren Blick auf die Zivilgesellschaft und die gemeinsame Geschichte.

Denn die Befreiung Europas vom Faschismus, deren 80. Jahrestag wir 2025 begehen, nahm in Stalingrad ihren Anfang. Für uns gehört dazu, diese historische Verantwortung ernst zu nehmen und Räume für Dialog offenzuhalten.

Die Position des Oberbürgermeisters

Oberbürgermeister Sven Schulze hält jede Wiederaufnahme der Kontakte für ausgeschlossen, solange der Krieg nicht beendet und „aufgearbeitet“ sei. Er verwies zudem darauf, dass die russische Seite seit 2022 nicht mehr geantwortet habe – zuletzt hatte der Gebietsgouverneur sogar die „spezielle Militäroperation“ ausdrücklich unterstützt. Schulze argumentierte außerdem, Kontakte zur Zivilbevölkerung seien derzeit zu gefährlich.

Das akzeptiere ich als Meinung – auch wenn ich sie nicht teile. Ich halte es für falsch, zivile Kontakte pauschal als Risiko abzutun. In vielen europäischen Städten wird gerade jetzt bewusst an Partnerschaften mit russischen Kommunen festgehalten, um Gesprächskanäle nicht völlig abbrechen zu lassen.

Der Vorwurf aus dem Nichts

Was die Debatte dann völlig unnötig eskalieren ließ, war eine Bemerkung des Oberbürgermeisters: Er deutete an, wir würden „Anweisungen aus dem Kreml“ erhalten.

Das ist nicht nur absurd, sondern auch ein Tiefpunkt politischer Diskussionskultur. Wenn man keine Argumente hat, dann unterstellt man eben Motive – so wirkte es zumindest.

Wir haben als BSW-Fraktion darauf deutlich reagiert. Kritik an unserer Position ist selbstverständlich legitim. Aber derartige Unterstellungen überschreiten eine Grenze. Stadtrat Dietmar Holz forderte zu Recht, dass der Oberbürgermeister in einer aufgeheizten Debatte nicht Öl ins Feuer gießt, sondern moderierend wirkt.

Abstimmung und Ergebnis

Am Ende wurde unser Antrag mit 24 zu 28 Stimmen abgelehnt. Eine knappe Entscheidung – aber sie zeigt, dass es auch im Stadtrat viele gibt, die den Wert kommunaler Außenbeziehungen nicht geringschätzen. Schade ist, dass sich keine Mehrheit fand, um zumindest zu prüfen, welche Spielräume es trotz des Kriegs gäbe.

Warum wir dranbleiben

Wir werden weiterhin für Verständigung und Dialog werben – auch über Grenzen hinweg und gerade dann, wenn es politische Widerstände gibt. Friedenspolitik beginnt nicht erst in Berlin oder Brüssel, sondern oft vor Ort, in Städten wie Chemnitz.

Die Auseinandersetzung im Stadtrat war anstrengend – aber sie hat gezeigt, wie wichtig dieser Diskurs ist. Und wir werden ihn weiterführen, mit Vernunft und ohne persönliche Angriffe.

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