Rede beim Chemnitzer Ostermarsch: Friedenspolitik beginnt vor Ort – nicht in Sonntagsreden

Am 18. April 2025 habe ich beim Chemnitzer Ostermarsch gesprochen, organisiert von der Chemnitzer Friedensinitiative. In meiner Rede habe ich über die Verantwortung gesprochen, Friedenspolitik nicht nur in Wahlprogrammen zu fordern, sondern sie auch konkret und lokal umzusetzen – im Stadtrat, auf kommunaler Ebene, im Alltag.

Ein zentrales Thema war für mich die Reaktivierung der Städtepartnerschaft zwischen Chemnitz und Wolgograd – ein Zeichen der Völkerverständigung, das leider im Chemnitzer Stadtrat an vier Stimmen gescheitert ist. Ich habe die Hintergründe erklärt, den Verlauf der Debatte benannt und deutlich gemacht, warum wir als BSW Friedenspolitik von unten wollen – mit echten Begegnungen, nicht mit geopolitischem Kalkül. Die Friedensbewegung braucht Einheit und Haltung – nicht taktisches Lavieren.

Hier dokumentiere ich meine Rede im Wortlaut:

Erst einmal kurz zu mir: Nico Rudolph, ich bin Mitglied der BSW-Landtagsfraktion hier in Sachsen, Sprecher für Frieden, Europa und Ostdeutschland.

Man hat uns im Wahlkampf immer gesagt, Frieden ist kein Landesthema, das ist Bundespolitik. Wir haben versucht, das auf die Landesebene zu bringen. Und wir haben das hier und da schon mit kleineren Erfolgen versucht, auf die kommunale Ebene mitzubringen. Genau darüber möchte ich jetzt ein paar Worte verlieren:

In diesem Jahr jährt sich die Befreiung von Hitler-Faschismus zum 80. Mal. Wir werden sicherlich wieder viele Gedenkveranstaltungen haben, so wie jedes Jahr. Der erste Schritt zur militärischen Niederlage des Nazistaates wurde in unserer Chemnitzer Partnerstadt gegangen. Sie hieß damals Stalingrad. In einer erbitterten, monatelangen Schlacht gelang es der Roten Armee, die Wehrmacht dort zum ersten Mal deutlich zu schlagen. Der Sieg war nicht nur militärisch, sondern vor allem psychologisch sehr wichtig. Er zeigte, dass die vermeintlich überlegenen Wehrmachtstruppen schlagbar waren. Stalingrad war Fanal, Hoffnung und später Mythos – in allen beteiligten Ländern des Zweiten Weltkrieges, in den Alliierten Staaten sowieso, aber auch im Untergrund Hitler-Deutschlands, in Italien oder den besetzten Ländern wie etwa Frankreich. Dort gibt es zum Beispiel in Paris den Boulevard des Stalingrad. Wenn wir also der Befreiung in diesem Jahr gedenken werden, dann sollten wir auch daran denken, wo sie begann.

Nämlich in Stalingrad, dem heutigen Wolgograd. Eine Stadt mit welthistorischer Bedeutung. Wolgograd ist seit 1988 Partnerstadt von Chemnitz.

Oberbürgermeister Schulze hat die Partnerschaft 2022 eigenmächtig inaktiviert – ohne Abstimmung im Stadtrat. Und nun haben wir in der letzten Woche hier im Stadtrat als BSW-Fraktion versucht, sie wieder zu reaktivieren.

Warum? Ich hatte es vorhin schon gesagt, wir wollen Friedenspolitik eben nicht nur im Bund sehen, sondern wir wollen es ganz konkret vor Ort. Wir haben uns gesagt, wenn schon die Regierung es nicht auf die Reihe kriegt, sich für diplomatische Verhandlungen einzusetzen, dann müssen wir das an der Basis hier unten eben selbst probieren. Und uns geht es da einfach um die Begegnung der Leute, der ganz normalen Leute, wie wir an der Basis im Volk von Chemnitzern mit Wolgogradern. Wir haben da nicht irgendwelche hochrangigen Politiker im Sinn, sondern die ganz normalen Leute sollen sich einfach wieder begegnen können. Unser Ansatz ist eben, dass wir das hier vor Ort selbst machen.

Das Problem ist nun leider gewesen, dass die Diskussion im Stadtrat da nicht sehr erbaulich war. Die, die mich kennen, die wissen, ich kann auch mal draufhauen, das habe ich da gar nicht gemacht in meinem Redebeitrag, sondern ich habe das wirklich sehr, sehr konziliant und diplomatisch formuliert. Und die Redner, die danach kamen, die auf meine Rede geantwortet haben, die haben das für sich anders gehalten. Gegenreden kamen, das muss ich hier einfach so sagen, zuerst von Linkspartei, danach von CDU, SPD und Grünen. Das ist für mich die große Koalition im Chemnitzer Stadtrat.
Und manche haben vielleicht den Artikel in der Freien Presse gelesen. Ich kann euch nur dazu sagen, da stand nicht alles drin.

Und das haben wir hier schon mehrfach mitbekommen, meine Kollegen auch aus dem Stadtrat: Die wichtigen Sachen stehen nicht drin, wenn das BSW da irgendetwas macht. Die Freie Presse hat sich auch nicht genötigt gefühlt, vielleicht mal mit der Person zu reden, die den Antrag geschrieben hat und die die Rede gehalten hat. Das nur für euch nebenbei: Nicht alles glauben, was in der Presse steht.

Nun aber zu der Abstimmung: Die war relativ knapp – es gab 24 Ja-Stimmen für die Reaktivierung der Partnerschaft. Und es gab 28 Nein-Stimmen. Und es hing an vier Stimmen. Und diese vier Nein-Stimmen, die zu viel waren, die kommen von einer Partei, der ich fast zehn Jahre lang angehört habe und die sich immer als Friedenspartei zeigen möchte. Und das auch heute noch tut. Wenn diese Partei, deren Name ich jetzt nicht sage, wenn diese Leute im Stadtrat nicht gegen den Beschluss, sondern für den Beschluss gestimmt hätten, dann hätte es eine Mehrheit für die Reaktivierung der Partnerschaft von Chemnitz mit Wolgograd gegeben. Und deshalb möchte ich euch einfach nur nahelegen: Hört nicht darauf, was da irgendwie in irgendwelchen Wahlkampfreden oder so geredet wird, sondern schaut euch wirklich konkret an, wie die jeweiligen politischen Kräfte abstimmen.

Wir haben in Zwickau – die Kollegen sind auch da – im Stadtrat eine Abstimmung gehabt, wo das Zwickauer BSW gesagt hat: „Wir wollen nicht, dass die Bundeswehr bei kommunalen Zwickauer Unternehmen des ÖPNV Werbung machen darf.“ Ihr habt es bestimmt mitbekommen. Da hat die entsprechende Partei auch dagegen gestimmt. Und die sagen danach: „Wenn das BSW mit bösen Parteien zusammenstimmt, dann wollen wir nicht dabei sein.“ Aber wir vertreten die Ansicht, dass eine Mehrheit für Völkerverständigung immer besser ist als eine Mehrheit gegen Völkerverständigung.

Die Friedensbewegung leidet ja schon seit Jahren unter gegenseitigen Abgrenzungen. Die Spaltungen der Friedensbewegung sollten aber nicht dazu führen, dass man das Ziel aus dem Blick verliert. Wir brauchen eine starke, große, breite Friedensbewegung, wenn wir in diesem Land etwas zum Besseren bewegen wollen. Und dazu brauchen es unseres Erachtens alle, die ehrlichen Herzens gegen den Kriegskonsens argumentieren.

Vielen Dank.

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